Endlich Kokain: Roman (German Edition) by Lottmann Joachim

Endlich Kokain: Roman (German Edition) by Lottmann Joachim

Autor:Lottmann, Joachim [Lottmann, Joachim]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
ISBN: 9783462307924
Herausgeber: eBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2014-04-09T22:00:00+00:00


4

Nahezu alles änderte sich, als der Dealer festgenommen wurde.

Die Szene erfuhr es aus der Zeitung. Seit Jahren war es gutgegangen, was einen alten Hasen wie Hölzl immer schon zu dem Satz verleitet hatte, er bewundere den Dealer dafür, daß er solange damit durchgekommen sei. Nun also war er gestolpert. Hölzl war der einzige, der ein gutes Alibi besaß – er lag schließlich seit Wochen im Koma –, während die anderen alle beim Dealer bis zuletzt ein- und ausgegangen waren. Stephan Braum stand gut und schlecht zugleich da. Indem er gleich nach der abgebrochenen Reise in die USA das üppige öffentlich-rechtliche Reisegeld in 25 Gramm Koks angelegt hatte, besaß er nun als einziger Stoff. Er hatte das natürlich niemandem erzählt. Die Freunde, die bald in die Not des Entzugs kamen, erlebten einen Stephan Braum, der stark blieb und dem widrige Umstände nichts auszumachen schienen. Auch spendierte er den ganz besonders Notleidenden ab und zu mal eine Nase, was ihn sofort noch beliebter machte. Es führte dazu, daß er die Rolle als Nachlaßverwalter Hölzls gut spielen konnte.

Andererseits ängstigte ihn der Gedanke, eine so große Menge beim Dealer gekauft zu haben. Was sollte er tun, wenn das herauskam? Mußte er dann ins Gefängnis? Braum setzte für diesen Fall auf sein wissenschaftliches Tagebuch. Er hatte ja alles protokolliert. Er konnte lückenlos beweisen, den Stoff einzig aus gesundheitlichen Gründen konsumiert zu haben. Er hatte auch nie Handel damit getrieben. Und sein Arzt würde im Zweifelsfall bestätigen, daß Braums Körper ohne Kokain bald zusammengebrochen wäre. Um sich abzusichern, suchte er den Arzt nun wieder regelmäßig auf und weihte ihn behutsam ein. 17 Kilo Gewichtsverlust waren ja auch medizinisch eine gut dokumentierte Erfolgsgeschichte.

Auch sonst bemühte er sich, die Verbindungen zu seinem alten Leben wiederherzustellen. Er traf seinen Bruder, den er ewig nicht gesehen hatte. Der fand ihn verändert, wie er sagte, kalt, egoistisch, aufbrausend. Braum registrierte diese Rückmeldung aufmerksam. So ein eigener Bruder hatte womöglich feinere Antennen für Persönlichkeitsdeformationen als andere, normale Zeitgenossen. Braum verschärfte die Selbstbeobachtung. Er gestand sich endlich ein, auch Depressionen durch das Mittel zu haben. Er hatte das bisher anders genannt, etwa »Dürrephase«, »Zwischenphase«, »Energieloch« oder »Matschkopf«. Es waren diese Stunden vor der ersten Einnahme, wenn er weder schlafen noch denken konnte.

Ins Krankenhaus zu Hölzl ging er nicht mehr. Niemand ging noch dahin, man vergaß den Mann. Im Atelier hielt Braum sich noch gern auf, und dort empfing er auch die Freunde sowie interessierte Kunstsammler. Dabei ging er vorsichtig vor. Denn Thomas Draschan, selbst ein nicht ganz erfolgloser Maler und Künstler, hatte die Idee, einige der vielen unvollendeten Gemälde Hölzls, die dort ratlos herumstanden, einfach fertigzumalen. Braum hatte nichts dagegen. Die Rechnungen stellte er auf seinen Namen aus, ganz korrekt. Die halbe Stadt wußte ja inzwischen, daß er der natürliche Nachlaßverwalter des großen Künstlers war. Einem Reporter der lokalen Zeitung »Kurier« sagte er, Hölzl sei sein Lebensmensch gewesen, und es gelang ihm dabei sogar, die Stimme brüchig zu machen. Es war alles in Ordnung. Selbst wenn der Komapatient noch einmal aufwachte, konnte er ihm das Geld zurücküberweisen, wie jeder gute Galerist.



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